Lubberger Lehment stärkt den Selektivvertrieb
06.12.2017
Der EuGH hat in einem Grundsatzurteil die Rechte der Markeninhaber bei der Verteidigung selektiver Vertriebssysteme bestätigt. Er hat entschieden, dass ein Hersteller von Luxus-Parfums wie die Klägerin Coty ihren Vertragshändlern weitgehende Vorgaben für ihren Internetvertrieb machen und dabei auch den Vertrieb über Online-Plattformen weitgehend beschränken können. Geklagt hatte ein Vertragshändler, der sich durch Cotys Vertragsbedingungen daran gehindert sah, Coty-Parfums auf großen Online-Plattformen zu verkaufen.
»Damit kehrt der Gerichtshof zurück zu seinen frühen Entscheidungen, in denen die Belange der Warenverkehrsfreiheit mit dem Schutz des Geistigen Eigentums in Einklang gebracht wurden.« Dr. Andreas Lubberger
Er machte geltend, dass die entsprechenden Vertragsklauseln kartellrechtswidrig seien. Das OLG Frankfurt hatte dem EuGH grundlegende Fragen zur Beantwortung vorgelegt. Dies geschah vor dem Hintergrund einer sehr kontroversen Diskussion dieser Fragen vor allem in Deutschland. Der EuGH hat diese Fragen nun sämtlich im Sinne von Coty entschieden.
Stärkung der Rechte des Vertriebsbinders
Der EuGH stärkt die Markenrechte des Vertriebsbinders. Er bestätigt die bisherige Rechtsprechung, wonach zu den Rechten der Inhaber von Luxusmarken die Sicherung einer angemessenen Verkaufsumgebung gehört. Wer entsprechende Vorgaben nicht einhält, begeht eine Markenverletzung. Wie schon der Generalanwalt geht der EuGH davon aus, dass dem Vertriebsbinder die Möglichkeit einzuräumen ist, den autorisierten Händlern den Vertrieb über nach außen erkennbare Drittunternehmen zu verwehren. Denn ein solches Verbot könne geeignet sein, die Garantien in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Herkunftskennzeichnung der Ware zu erfüllen. Diese Möglichkeit bestehe nicht mehr bei dem unautorisierten Vertrieb über Drittplattformen und stelle in Abgrenzung zu der „Pierre Fabre“-Konstellation kein absolutes Verbot des Online-Vertriebs dar.
Kartellverbot und Gruppenfreistellung
Das hat zur Folge, dass das allgemeine Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht zur Anwendung kommt und sich für Coty die Frage nach einer (Gruppen- oder Einzel-) Freistellung nicht mehr stellt.
Der Gerichtshof beantwortet jedoch auch die Vorlagefragen des OLG Frankfurt zur Gruppenfreistellung: Die Qualitätsvorgaben von Coty würden nicht gegen die schwarzen Klauseln der Vertikal-GVO verstoßen. Zum einen werde nicht eine Beschränkung des Zugangs auf eine bestimmte Kundengruppe bewirkt. Es handele sich bei den Nutzern der Drittplattformen nicht um eine abgrenzbare Kundengruppe. Zum anderen stelle die Klausel keine unzulässige Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne von Art. 4 c) der Vertikal-GVO dar, weil der autorisierte Händler noch über seine autorisierte Internetseite Verbraucher erreichen kann.
Rechtssicherheit für Luxuswaren
Dazu Andreas Lubberger: »Es ist schön, dass es endlich Rechtssicherheit gibt. Leider enthielten ja die bisherigen Gruppenfreistellungen der Kommission keine Aussagen zum Online-Handel. Noch besser ist, dass der EuGH den Fall nicht nur auf der Linie seiner bisherigen kartellrechtlichen Kriterien beurteilt hat, sondern auch das Markenrecht berücksichtigt. Damit kehrt der Gerichtshof zurück zu seinen frühen Entscheidungen, in denen die Belange der Warenverkehrsfreiheit mit dem Schutz des Geistigen Eigentums in Einklang gebracht wurden.«